Nach dem Boom. Möglichkeiten einer Soziologie des Bildes

Im Angesicht der alltäglich anzutreffenden Entkoppelung von Bild und Faktizität, einhergehend mit der Über-Ästhetisierung der (digitalen) Lebenswelt, vergleicht Ingo Meyer (der bei Velbrück Wissenschaft bereits Georg Simmels Ästhetik veröffentlichte) verschiedene Ansätze zur Soziologie des Bildes – und zieht Bilanz: Wo reicht die Theorie aus und wo ist sie vor allem noch ungenügend?

Ingo Meyer

Nach dem Boom

Möglichkeiten einer Soziologie des Bildes

Erster Anlauf. Anfang der 1990er flog ich gelegentlich nach Kreta, um festzustellen, dass Strandurlaub nichts für mich ist. In einer Bar des Dörfchens an der Nordküste stieß ich auf einen englischen Reiseführer über die griechischen Inseln und erblickte im Artikel zur nahe gelegenen Hafenstadt Chania das Foto eines stämmig-virilen Herrns mit imposantem Schnauzbart, weißer Hose, blauem Hemd, beim Tanzen des Zeibekiko inmitten zahlreicher Tellerscherben, untertitelt: »Greek solution to English poll tax demands« (Großbritannien führte damals als Thatchers Vermächtnis für einige Jahre die verhasste Kopfsteuer ein). Dutzende Seiten weiter warb ein Bild desselben Mannes, weiße Hose, blaues Hemd, imposanter Schnauzbart, für Rhodos; nun aber trug er tanzend einen Holztisch einer Taverne mit den Zähnen, bis heute in Griechenland ein besonderer Potenznachweis. Entweder also war der Herr ein eifriger Inselhopper, um jeden Abend woanders zu feiern, oder die Redaktion hatte den Reiseführer nach Belieben, ohne jeden tatsächlichen Bezug der Fotos zu den angepriesenen Lokalitäten, bebildert. Ich fühlte mich verschaukelt. 

Solche Entkopplung von Bild und Text hielt um die Jahrtausendwende auch auf dem deutschen Zeitungsmarkt für einige Jahre in den sogenannten lad mags wie FHM oder Maxim Einzug. Diese zeigten viele sehr knapp geschürzte, noch halbprominente Damen auf Hochglanz, aber keine eigentlichen Nacktfotos. Oberste Werte der weiteren, politisch möglichst unkorrekten Themen: Biertrinken, Autos und Technik, Frauen flachlegen, Spirituosenberatung; manchmal die Anleitung, wie ein Steak zu braten sei. Ihren Witz bezogen diese Blätter aus der maximal sachfernen Untertitelung der Abbildungen, etwa, wenn eine verfaulte Banane mit dem Kommentar: »Vorsicht in der Besenkammer, Boris!« gezeigt wurde. Mittlerweile ist Boris Becker ein Krimineller und die Folge der Besenkammer zählt bereits zum Personalbestand des Trash-TVs.

Ein Doku-Dreiteiler Geheimnisse des Kaiserreichs von 2018 (Regie: Uli Weis), ZDF-Eigen-produktion, der schon vom Titel an Eugène Sues Kolportageroman aus dem 19. Jahrhundert erinnert, leistet sich zwar keine groben Sachfehler, zeigt aber, wie heute Geschichte massenmedial aufbereitet wird. Ist die Rede von der Hamburger Serienkindermörderin Elisabeth Wiese, sehen wir nach ihrem in der Tat schaurigen mug shot einen historisch-körnigen Filmausschnitt, in dem einem unterernährten Kleinkind der Hintern mit Zeitungspapier abgewischt wird. In der zweiten Episode des Formats bringt man tatsächlich dasselbe Segment, sobald von der allgemein noch sehr hohen Säuglingssterblichkeit die Rede ist. Wir sehen Wilhelm II. angeblich zur Zeit der Daily Telegraph-Affäre von 1908, warum aber trägt er dann eine mit Stoff bespannte Pickelhaube, befindet sich also mitten im Krieg? Wir sehen ihn, wird dann behauptet, bereits im niederländischen Exil, mit Entourage am Meeresstrand spazieren. Hatte er nicht mit einem Radius von nur 25 km um Haus Doorn stark eingeschränkte Bewegungsfreiheit? Wie kommt er dahin? Und wenn die Rede vom Reichstag ist, wird in tatsächlich jeder der drei Folgen dieselbe Aufnahme eingespielt: Einige Herren in Bratenrock und Vatermörder betreten eilig ein größeres Gebäude. Das kann überall sein – um ›Kaiserreich‹ zu repräsentieren, bedarf es offenbar nur wacklig-grobkörniger Schwarzweißfilmschnipsel, die heute charakteristischerweise etwas zu schnell laufen und von Belichtungsstörungen durchzuckt sind. Dazu die Originalstimme von Wilhelm II. vor knisterndem Hintergrundgeräusch und natürlich Philipp Scheidemann beim Ausrufen der Republik, obwohl selbst Wikipedia weiß, dass Letzterer das Tondokument, eine stark abweichende Version der Rede, erst am 9. Januar 1920, also exakt 14 Monate später, eingesprochen hat. Darüber in den Geheimnissen kein Wort, nirgendwo – selbst für ein bloß historisches Sachbuch wäre das tödlich. Da man im Dienst der Authentizität jedoch meint, nicht ohne gut gefüllte Tonspur auszukommen, wird bei Straßenszenen Pferdegetrappel, bei Aufmärschen knarzendes Leder und bei Kriegsaufnahmen dumpfes Geschützgrollen unterlegt. Zwar handelt es sich hier nicht – im Stile von Trotzkis und Kamenews Entfernung aus dem berühmten Bild von Lenins Rede auf dem Moskauer Swerlos-Platz vom 5. Mai 1920 oder der Retuschierung des missliebigen Protestplakats auf dem Foto von Helmut Kohl und Bill Clinton in Eisenach 1998 – um Fälschungen, aber dass man mit solch plumpen Strategien bei denkenden Menschen das genaue Gegenteil eines goût historique erreicht, fällt der Regie und ihrem Stab nicht bei.

Man könnte derart gehäufte Nachlässigkeit für Petitessen halten, zumal der historisch einigermaßen Gebildete aus solchen ›Dokumentationen‹ ohnehin nichts lernt, doch fallen bei der Entkoppelung von Bild und Text bzw. ihrer zunehmend mutwilligen Zusammenfügung zwei altbekannte Eigenschaften des Bildes auf, seine Suggestivkraft und extreme Kontextabhängigkeit. Richtig wurde bemerkt, dass die Bilder, anders als Sprache, Kompaktinformation in sehr kurzer Zeit ermöglichen,[1] aber worin bestünde hier deren Funktion, wenn sie mit dem Thema de facto gar nichts zu tun haben? Es wird lediglich mit Material bebildert, das irgendwie passend dünkt, also auch fehlen könnte, nur wäre dann diese Produktion, die offenbar allein auf den bloßen Reflex »Aha, Kaiserreich« spekuliert, gar nicht erst entstanden. So bestätigt sich das Nichtwissen selbst – zwei oder drei eingehend analysierte Selbstrepräsentationen der Epoche, etwa Anton von Werners Varianten der Proklamation zu Versailles mit ihren Fingierungen, der 100 Mark-Schein mit seinem Überangebot an Nationalsymbolik[2] und das Gruppenporträt eines Kriegervereins um 1900 hätten mehr erbracht. Zumal für das Format Kenner der Epoche wie John C. Röhl und Christoph Nonn gewonnen werden konnten, deren Beiträge jedoch auf Häppchen von jeweils zwei, drei Sätze eingedampft wurden, denn alles weitere überschritte wohl die Aufmerksamkeitsspanne derjenigen Zuschauer, auf die das Format abzielt.

Andere Baustelle: Zu meiner Schulzeit haben die Biologielehrer das Vermenschlichen von Bakterien, Bäumen und Regenwürmern, indem man sie mit Gesichtern ausstattet, streng gegeißelt – vergebens. Wer heute zufällig bei den Wissensformaten für ein adoleszentes Publikum wie Galileo von ProSieben landet, staunt, dass auch die Visualisierungen komplexerer Themen aus Wissenschaft und Politik nirgendwo mehr ohne im besten Sinne Animationen auszukommen scheint: Da tragen Ölfässer und Kohleberge lachende oder weinende Antlitze, sobald fossile Energieträger verhandelt werden, Dollarscheine Flügel, wenn es um die Inflation geht und sprechen Heizkörper mit bewegten Mündern, um Energiespartipps zu geben. Satirische Formate des ZDF am späten Freitagabend dagegen zeigen Comicfiguren mit aufmontierten Konterfeis von Olaf Scholz und Armin Laschet, die mit Keulen aufeinander einschlagen, dass die Sterne sprühen, wenn Wahlkampf ist. Den aktuellen Tiefpunkt markiert das Grundgesetz der Tiere (Regie: Risto Saar) desselben Senders, ein Zeichentrickfilm vom Januar 2024 für Erwachsene aus dem debilen Universum des Jan Böhmermann. Eine Intention oder gar ein Erkenntnisinteresse ist nicht zu ermitteln, weshalb sich der Eindruck aufdrängt, dass hier Volksverdummung für eine Zielgruppe betrieben wird, die mit Mitte zwanzig am liebsten noch immer Harry Potter liest. 

Das, wenn man so sagen darf, öffentliche Bild dient heute also kaum jemals der Information, sondern wird, ganz gleich ob Öffentlich-Rechtliche oder Trash-Sender, flächendeckend in den Dienst der Infantilisierung gestellt. Und es geht noch ärger. Während Donald Trumps Präsidentschaft 2017-2021 überkam mich öfters normative Wallung, wenn ich für mich befand: »Ein Staatschef twittert nicht«. Heute präsentiert sich, zähneknirschend zwar, die deutsche Bundesregierung auf TikTok, weil es die Populisten, die gerade nicht argumentieren und differenzieren, vorgemacht haben. Was will man dort in 60 Sekunden vermitteln? Auf YouTube finden sich Tausende Videos plumpester Machart, die uns mit Fotobearbeitungen und -montagen weismachen wollen, dass sich in den Weltmeeren der Urzeit-Monsterhai Megalodon bester Gesundheit erfreue, 50 Meter lange Riesenschlangen ihr Unwesen treiben und die Aliens längst unter uns seien. Sie werden nicht selten millionenfach angeklickt. Kaum noch ein Bild auf Instagram, hört man, sei unbearbeitet, gibt es doch Beauty-Filter, Body-Filter, Face-Filter usw. Und nicht wenige Frauen (Männer sind hier äußerst zurückhaltend, ein Thema für die Gender-Forschung), mit denen ich über WhatsApp kommuniziere, senden statt Sprachnachrichten beinahe ausschließlich Folgen von lachenden, weinenden, sich erbrechenden Gesichtchen, drohende Zeigefinger, angespannte Bizeps, Herzchen, Sektgläser und was sonst noch das Arsenal an Icons bereithält. Apple teilt soeben mit, dass die neuen iPhones serienmäßig mit KI ausgestattet sein werden, so dass man nicht mehr nur nicht schreiben muss, sondern per Sprachbefehl seine ›individuellen‹ Emojis erzeugen kann. Ein weiterer Schritt in Richtung des, wie jeder Hochschuldozent heute weiß, ohnehin grassierenden funktionalen Analphabetismus.

Das Für und Wider einer Ästhetisierung der Lebenswelt,die ohne Bilder nicht auskommt, wird bereits seit der Postmoderne diskutiert, neu dagegen sind Analysen von Selbstinszenierung, Kommerz und Kapital, also der Massenbewegung von Instagramern, Influencern und Bloggern. Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt sprechen Klartext: Das Phänomen korreliere eindeutig mit der Dauerkrise des Kapitalismus, indem es die Kreation eines freiwilligen Massenheeres »lebender Litfaßsäulen« zeitige und folglich als Reaktion auf Marktsättigung und Absatzprobleme zu deuten sei.[3] In diesem Sog kehre selbst die Kinderarbeit zurück, denn häufig werde die ganze Familie im Dienste der Selbstinszenierung, die sich irgendwann in klingender Münze auszahlen soll, eingespannt. Von ästhetischer Kreativität oder Originalität hier jedoch keine Spur, vielmehr herrsche die blanke Affirmation[4] – und der unbedarfte Mensch fragt sich zunächst ja tatsächlich, warum immer wieder die neuen Schuhe, Hosen und Lippenstifte, der Latte Macchiato in der hippen Berliner Bar und der leckere Melonensalat bei Antonio‘s fotografiert werden. Mit Kassenzettel. Dass Adorno hier nicht weit ist, kann insofern nicht verwundern; die traurige, bewusstlose Welt der Influencer, Food-Blogger usw. schaffe über die schiere Verdopplung des angedrehten Lebens ein wenig Orientierung für ein Millionenheer verwirrter, überforderter Subjekte.[5]

Es stimmt schon, konfrontiert mit den stereotypen Kommentaren und lachenden Icons, die die Bildchen vermeintlicher Selbstdarstellungen begleiten, behält er recht: »Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie Ich sagen.«[6] Nichts, so muss man folgern, ist ferner von Ästhetik als Medium der Erkenntnis als Instagram, TikTok und Co. Markus Gabriel hat noch tiefer hinab gedacht und in den sozialen Netzwerken »Personalisierungsmaschinen« entdeckt, allerdings von heikler Art. So leisten die Milliarden Nutzer durch ihre freiwillige Bereitstellung von Daten zur Entwicklung künftiger Software doch allesamt unbezahlte Arbeit, weshalb sie als ein »gigantisches digitales Proletariat, das sich seines Status bisher noch beinahe völlig unbewusst ist«, betrachtet werden müssen.[7]

Zweiter Anlauf. Ein, modisch gesprochen, Visualregime? Ganz sicher. Wenn es jedoch zutrifft, dass heute Geschichte, soziale Normen und Werte, Wissen überhaupt wesentlich über visuelle Attraktoren und Strategien vermittelt werden, dabei aber eine Entkoppelung von Bild und Argument oder gar ›Faktizität‹ derart weit fortgeschritten ist, darf das für bemerkenswert gehalten werden und hat natürlich auch die Soziologie zu interessieren.

Ihr jedoch hat man sowohl eine Aversion gegen Ästhetisches generell als auch eine »Bildvergessenheit« attestiert.[8] Ganz so schlimm aber steht es nicht, denn dass die Bilder uns – mehr noch vielleicht, als die Literatur – etwas über Gesellschaften, eigene und fremde, vergangene und gegenwärtige, sagen, ist so richtig wie trivial. Realhistoriker, für viele Jahrzehnte auch nicht gerade kunstnah, arbeiten seit ca. 25 Jahren ganz selbstverständlich mit dem Bild – nur muss man es auch zum ›Sprechen‹ bringen können. Peter Burke hat auf die Fußangeln hingewiesen, die beim unsensiblen Arbeiten mit dem Bild lauern, nämlich »Verzerrung«, Ignoranz gegenüber den Stereotypien etwa der Alterität von Kulturen, Ethnien etc., Annahme einer simplen ›Widerspiegelung‹ sozialer Verhältnisse, Ahnungslosigkeit gegenüber den ursprünglichen Intentionen/Bildpolitiken usw. Ebenso betont er, dass Bilder Aufschlüsse über Details der Mentalitäten und Lebenswelten geben, die Texten, weil zu selbstverständlich, meist nicht der Rede wert sind.[9] Wann eigentlich verschwand zum Beispiel der Spucknapf, seit wann liegen Rasierer auch in Badezimmern von Frauen ›einfach so herum‹? Norbert Elias hingegen erachtete Selbstdarstellungen als induktiven Königsweg zur Annäherung an vergangene Sozialverhältnisse; Pierre Bourdieu knüpfte explizit an Ernst Panofskys Ikonologie an[10] und arbeitet in Die feinen Unterschiede,wenn auch zurückhaltend, mit Fotos des kleinbürgerlichen Alltags, um typische Interieurs einzufangen. Und beide Autoren rekurrieren auf den Habitus, der sich aus Bildern trefflich extrahieren lasse.

Aber es stimmt schon, affin zum Ästhetischen oder gar dem Bild/Visuellen waren Soziologie und Historiographie nicht gerade, die »Suhrkamp-Kultur« etwa, stets darauf bedacht, auch führende Sozialwissenschaftler zu verlegen, gerierte sich über Jahrzehnte durchaus bilderfeindlich[11] und Gottfried Boehm ging mit seiner außerordentlich folgenreichen, in der editon suhrkamp bereits angekündigten Textsammlung Mitte der 90er doch lieber zu Fink.[12]

Dritter Anlauf. Wohl nicht zufällig wurden während der zehn, fünfzehn Jahre ab der Jahrtausendwende, als das einstige Orchideenfach Kunstgeschichte überraschend die Meinungsführerschaft innerhalb der Humanities übernahm, auch Rufe nach einer Soziologie des Bildes laut, womit es sich, wie man heute besser sieht, um einen Sogeffekt handelte. Auch das hat sich heute wieder deutlich beruhigt, doch benennen hier gemäßigter Konstruktivismus und Praxeologie den Mainstream. Erkennbar zu unspezifisch fasst Regula Valérie Burris Praxistheorie des Visuellen Bilder als sichtbare »Repräsentationen […], die mit technischen Hilfsmitteln entstanden sind«.[13] Aber was macht man auf dem Boden einer solchen Definition mit abstrakten Bildern, wenn die Pollocks und Mirós längst Einkaufstaschen und Krawatten zieren, Günter Fruhtrunk das ALDI-Logo designt hat und eines seiner Bilder bei Habermas über der Wohnzimmercouch hängt?[14] Und wo beginnt die Technik, bei der Kohlezeichnung oder schon mit den prints der Höhlenmalerei? Was von Burri mit dem Gestus der Pionierarbeit vorgetragen wird, ist längst Standard und doch defizitär, wenn der Status des Visuellen keine essentielle, sondern analytische Kategorie, nämlich Zuschreibungssache sein soll: »Durch diese epistemischen Praktiken wird ein Bild überhaupt erst als Bild wahrgenommen und konstituiert, indem es in den Status eines Bildes gehoben und von allen anderen sichtbaren Gegenständen einer zeichenhaften oder sinnstrukturierten Welt abgegrenzt wird. Dies geschieht nicht reflexiv, sondern habituell und praktisch.«[15] Diese Auskunft freilich reicht nicht aus, Zuschreibung war schon die Antwort Foucaults auf die Frage, was ein Autor sei, hier aber kann nun schlichtweg jede Gestaltung zum Bild/Repräsentation werden. Und so geschah es: Ein Konferenzband – es gibt Aberdutzende davon –,  der vornehmlich Analysen filmischer Dokumente zu erwartbaren Themen versammelt (der ›Blick‹ der Kamera, Interaktionsanalyse, Politiker und Inszenierung, Bilder der Wissenschaft), argumentiert ganz ähnlich: gemäßigter Konstruktivismus, soziale Praktiken, Frage nach der visuellen Codierung des Sozialen.[16] Roswitha Breckner dagegen knüpft maßgeblich an Susanne K. Langers sowie Alfred Schütz‘ Symboltheorien an, kapriziert sich auf Fotografien und betreibt »Segmentanalyse«; ähnlich wie bei Max Imdahls Ikonik wird das Bild dekomponiert und nach den Relationen seiner Einzelelemente gedeutet, um seine ›Aussagen‹ schließlich wieder zu synthetisieren.[17] Das ist eine schöne Idee, doch bleibt der Ertrag zu dürftig, wenn anhand einer Homestory über Privilegierte aus einem österreichischen Wirtschaftsmagazin dargetan wird, dass auch über visuelle Strategien deren Werte und Ideale vermittelt werden; anlässlich eines Fotos von Helmut Newton (Akt mit Betrachter) festgestellt wird, dass es sich hier um eine ›offene‹ Reflexion des Geschlechterverhältnisses handele; dass über das Familienalbum als »bildliches Narrativ« generationale Kohärenz erzeugt werde; oder der Fremde typisiert, »immer noch in kolonialen und rassistischen Mustern der Konstruktion von Andersheit verankert« erscheine.[18] Ehrlich gesagt, dergleichen hätte auch meine alte Mutter ganz ohne wissenschaftliche Brille erkannt, dafür braucht niemand Symboltheorien oder gar Segmentanalysen. Hier versagt Soziologie als Lehre vom ›zweiten Blick‹ davor, den ersten überhaupt zu transzendieren: Nachbuchstabieren des Offenkundigen ist dann doch zu wenig. Für Heike Kanters methodisch weitaus differenziertere Studie hingegen rührt die ›Macht‹ der (Politiker-)Bilder (in Tageszeitungen) aus den »Resultate[n] eines ästhetischen Agierens« der Bildredaktion, also lediglich technisch-handwerklichen Verfahren[19] – womit sie den Ertrag ihrer Analysen wohl unter Wert verkauft, denn erst die kaum zu kalkulierende Rückkopplung über Kommunikationssysteme entscheidet ja darüber, welche Bilder es zur (positiven) Ikonizität bringen und welche nicht, denn diese sehr spezielle Art der Werbung bleibt immer prekär: In den 1990ern hat sich die CDU mit ihrer ›Rote Socken‹-Kampagne gegen die PDS blamiert, Angela Merkel mit ausladendem Dekolleté (»Wir haben mehr zu bieten«) sorgte 2009 eher für Heiterkeit und jüngst wurde der Entscheid der SPD, den historisch singulär unbeliebten Olaf Scholz neben der Spitzenkandidatin Katarina Barley zu plakatieren, für die krachende Niederlage im EU-Wahlkampf 2024 mitverantwortlich gemacht. So bleibt Kanters Bourdieu‘scher Schluss, dass auch und gerade Politikerfotos in ihrem Ansinnen, Macht durch Bilder zu erringen, den Kampf um die legitime »Auslegung« der Wirklichkeit zeige,[20] durchaus unterkomplex.   

Zudem begibt man sich mit einer nicht hinreichend scharfen Unterscheidung des bloß Visuellen vom Bild, dem eben eine Suggestivleistung eignet, als fachidentitätsbewusster Soziologe in ungute Nähe zu den Visual Studies, dem wahrhaften Tummelplatz des Trivialen. James Elkins wandte sich als einer ihrer Initiatoren enttäuscht von ihnen ab, immer wieder dieselben theoretischen Bezüge (»Lacan, Foucault, Marx, Benjamin, Butler, and Barthes«, neuerdings auch Namen wie Rancière und Badiou), doch keinerlei Interesse an der (Vor-)Geschichte des Fachs, Begrenzung des Gegenstandsbereichs auf Moderne und Postmoderne, »popular imagery, kitsch, and camp, mixed with some contemporary art«, nämlich »sex and sexuality, Las Vegas, Hollywood (and Bollywood and Nollywood), depictions of death and violence, international airports, corporate headquarters, shopping malls, contemporary fine art such as video and installation«, dazu Einsatz des Materials zur bloßen Bestätigung der ohnehin sakrosankten Theorie bei gleichzeitiger Abwesenheit jeglichen Methodenzweifels. Ob Elkins‘ Vorschläge alternativer Themen wie nahöstliche Tätowierungen, Dokumentationen der Sedimente in menschlichem Urin, Briefmarken aus der Mongolei, Bücher über Pollen und Schneeflocken, Reisepässe voller Stempel und Visa etc.[21] tatsächlich ernst gemeint sind, wage ich nicht zu beurteilen. Ein deutscher Überblick nennt die »Betonung der materiell-räumlichen Bedingungen von Sichtbarkeitsordnungen« und empfiehlt in eigener Sache eine »praxeologische Analytik des Sehens«,[22] doch der Verdacht der Beliebigkeit ist gerade hier nicht auszuräumen. Autofahren, Klavierspielen, »Körperpflege« und »Frühstücksgewohnheiten«, »Teamsitzung« und »E-Mail-Korrespondenz«, »Sonntagsspaziergang« und »Fernsehabend«[23] –  Sophia Prinz betont zwar den nichtrepräsentationalen Anteil sowie das »Nicht-Diskursive« der Sichtbarkeiten, ohne freilich zu reflektieren, wie diese Nicht-Diskursivität am Ende diskursiv in den Griff zu bekommen wäre.[24] Dazu in selten bunter Kompilation (und ohne je zu fragen, ob das irgendwie zusammen passt) Marx, Benjamin, Wittgenstein, Kracauer, Panofsky, Barthes, Heidegger, Imdahl, Deleuze, Kittler, Baxandall und Alpers, Bourdieu und Latour, Giddens und Butler. Erinnert man den Historismus des 19. Jahrhunderts, dem alles interessant war, sieht man, wie er in der Praxeologie heute mit ihrer bloßen Inventarisierung der Gegenstandswelt fröhliche Urständ feiert, denn es ist wahr, es gibt dies und es gibt das – und viele andere Dinge gibt es auch noch! Und diese Dinge wurden unter spezifischen Voraussetzungen erzeugt und fanden ihre Verwendungsweisen, mal solche, dann wieder andere. Und das kann man beschreiben; darin erschöpft sich die ganze Originalität gegenwärtiger Praxeologie.[25] Verdankte sich der einst innovative Impuls dieses zur Zeit wahrhaft flächendeckenden humanwissenschaftlichen Mainstreams dem Staunen darob, dass sich Kultur nicht allein im Kopf ereignet, sondern immer auch hergestellt werden muss,[26] ist ›Praxis‹ längst zum Totalbegriff aufgeblasen worden, der schlechterdings alles erlaubt, während die Anwendungen nicht selten in atemverschlagender Banalität exzellieren.[27] Da wird als Forschungsertrag (!) herausgestellt, dass Studierende an Kunsthochschulen ihre Arbeiten gelegentlich an die Wand hängen und gemeinsam diskutieren[28] oder in unheiliger Allianz mit der Netzwerktheorie unter Rekurs auf agency und affordance dargetan, dass erst Malgrund, Lösungsmittel und Pigmente die Verfertigung eines Ölbildes erlauben.[29] So ist es wohl, möchte man ausrufen, doch auf diesem Niveau nur noch eine Frage der Zeit, bis als Dissertationsthema die Form der Streichholzschachtel seit Erlöschen des Monopols der schwedischen Welthölzer 1982 und die daraus resultierenden, fraglos noch gar nicht absehbaren Konsequenzen für unsere Handlungsmacht, vergeben wird. Damit konturierte sich wenigstens der wissenschaftspolitische Imperativ hinter derartigem Geforsche.[30] Fabian Anicker hat zu Recht darauf hingewiesen, dass derjenige, der heute eine akademische Karriere verfolgt, gar keine Zeit mehr habe, um sich auf Paradigmen und Traditionen seines Fachs, gar intensive Lektüre, tatsächlich einzulassen: Gerade Praxeologen ›scannten‹ allenfalls den Theoriebestand auf catchwords, die vielleicht etwas mit der eigenen Fragestellung zu tun haben könnten.[31] Und so kommen Bücher über Sichtbarkeitsordnungen zustande, die die Welt nicht braucht.

Doch nun genug der Polemik – aber die Ankunft in solch exegetischen Niederungen sollte sich die Soziologie ersparen. Möchte man die soziale Relevanz von Bildlichkeit z.B. in ihrer Zirkulation befragen, liegt das Hauptproblem wohl darin, dass es wenigstens einer Doppelkompetenz bedürfte. Der Militärsoziologe etwa muss kein hochrangiger Offizier sein, doch ohne ein gerüttelt Maß an Kenntnis ästhetischer Traditionen, Pathosformeln, der großen theoretischen Entwürfe, bildgeschichtlicher Motive und Topoi des jeweiligen Bereiches gerät man gerade in der soziologischen Ästhetik schnell in Untiefen[32] – umso mehr, als schon unsere Alltagswelt von bewussten oder unbewussten Zitaten und Bildfindungen der Tradition durchsetzt ist. So auch Bildadaptionen und -parodien allenthalben, vom Plattencover bis zu den Simpsons,[33] weshalb zu vermuten steht, dass die Kunsthistoriker die Frage nach der sozialen Rolle des Bildes heute vielleicht doch besser bearbeiten können.

(Abb. 1) J.J. Cale, Naturally, Lp, Ariola 27320 XAT, 1971, Covermotiv von William Rabon
(Abb. 2) Velázquez, Prinz Baltasar als Jäger, 1635/36, Prado, Madrid

Hans Beltings, Horst Bredekamps und Gottfried Boehms einschlägige Texte[34] werden auch im wissens- oder kunstsoziologischen Seminar gelesen, gerade weil sich dieses Fach, Jahrzehnte im Dornröschenschlaf, methodisch rasant diversifiziert und als ›Historische Bildwissenschaft‹ entgrenzt hat, so dass in ihm auch eine Soziologie des Bildes Platz fände. Aber gerade deshalb, kein Bild geht in seinen sozialen Verwendungsweisen oder Zuschreibungsprozessen auf, keines verdankt sich allein einer ›sozialen Praxis‹, wer es als historisches oder soziologisches Datum verkürzt und seine Ästhetizität als Eigenwert ignoriert, übergeht das Interessanteste.[35] Nimmt man die Bilder als Bilder ernst, ist neben Kenntnissen ihrer Geschichte ein Ausgriff in metaphysische Bereiche wie ›Schein und die Wurzeln der Sinngenese unvermeidlich, sicher ungewohntes Terrain für Soziologen und Historiker. Unwahrscheinlich deshalb, dass sie etwas Substantielles dazu sagen können, wie Bilder »Sehen-in« und »Sehen-als« ermöglichen,[36] »das eine im Lichte des anderen […] zu sehen« erlauben[37] – oder dass es sich bei ihnen um nichtidentische Objekte handelt, ein veritabler Skandal der Ontologie,[38] zu dessen Bearbeitung die Rede von ›Zuschreibungsprozessen‹ nicht das Geringste beiträgt. Bisherige Soziologien des Bildes lösen, soweit ich sehe, das Bild als Bild auf oder enden im Reduktionismus, was bereits für die Rede von ›Repräsentation‹ gilt. Die dazu beliebte Alternative einer reinen Wirkungsästhetik ist ebenfalls gegenstandsindifferent, denn hier – eine Erbschaft Kants, der ja auf breiter Front als zeitgemäß gehandelt wird – ist es einerlei, ob sich meine reflektierende, also unabschließbare Urteilskraft mit der Betrachtung des Sonnenuntergangs, eines Rembrandts oder dem neu erworbenen Designerstuhl beschäftigt. Prominente Ansätze neigen mithin dazu, das ästhetische Objekt, das man nicht mit seinem materiellen Träger verwechseln sollte, zu verfehlen. Zudem wird es ohne Werk- und Wertungsbegriff nicht gehen, das beginnt bereits bei der Modefotografie, wogegen die taxonomische Frage »Kunstbild oder Gebrauchsbild?« ›ontisch‹ eher gering wiegt, weil man hier für eine Antwort graduieren, nämlich tatsächlich nach den Gebrauchsweisen des Bildes fragen kann, ein starkes Argument für seine Soziologie. Und dennoch, schon während des Siegeszuges der Bildwissenschaft hat Willibald Sauerland daran erinnert, dass ein bloßes Zeigen plus vermeintlich wertfreier »Verfahrensbeschreibung« überhaupt nichts erkläre.[39]

Der Ruf nach einer neuen oder gar systematischen Soziologie des Bildes kam letztlich zu spät. Auch war er nicht nötig. Luhmann brachte nicht in den publizierten Schriften, nur im Programm seines letzten Seminars, den schönen Passus zur »Universalität der soziologischen Kompetenz«, eine Ermächtigungsgeste,die andere Vertreter seiner Disziplin so nicht wagten.

(Abb. 3) Luhmann, Wissenssoziologie, WS 1992/93

Sein vorn in der Kunst der Gesellschaft entwickeltes Formenkalkül des Kunstwerks, das stark an die Immanenten der 1950er erinnert, finde allerdings nicht nur ich schauderhaft. Umso wichtiger wäre eine weise Bescheidung, weshalb ich sage, Verwendungsweisen und Affektivitäten (Letztere haben bei Luhmann natürlich keinen Ort) – ja; Genese aber des Bildes, sei‘s als Zuschreibung oder Konstruktion – nein, da kommt die Soziologie wohl nicht heran. Doch wendete sie sich Funktionen und Folgen des Visualprimats zu, gäbe es für das Fach noch immer mehr als genug zu tun. Ertragreich könnte, im Verbund vielleicht mit Historikern, die Untersuchung von Werbung sein,[40] womit die nunmehr Jahrzehnte alten Befunde von Roland Barthes‘ strukturalen und Erving Goffmans genderorientierten Analysen auf den Prüfstand gerieten. Kai-Uwe Hellmann hat Werbung, diese hoch signifikante Abteilung der Massenmedien, als das »soziale Gedächtnis des modernen Konsums« gefasst;[41] hier fände man, anders denn im Familienalbum oder bei Instagram, zwar professionell kalkulierte Bildstrategien, doch zugleich nicht intendierte Selbstrepräsentationen der Gesellschaften und Epochen, denn keine Werbeaktion legt es primär darauf an, in den Geschichtsbüchern zu landen. Wer sich die Zeit nähme, in die Universitätsbibliothek hinabzusteigen und die über Jahrzehnte etwa im SPIEGELgeschalteten Annoncen auf Werte, Konsumgewohnheiten, Freizeitideale, Gender, Ängste, Sorgen, Kleidung, Interaktionsstile usw. zu befragen, könnte beinahe freihändig eine bundesrepublikanische Kulturgeschichte ›von unten‹ schreiben.[42] Ebenso wäre bei diesem Gegenstand ein interkultureller Vergleich recht komfortabel zu handhaben, z.B. anhand der länderspezifischen Kampagnen für dieselben Marken und Produkte. Gelten die englischen Commercials traditionell als besonders pfiffig (was zu verifizieren wäre), kann ich nach fünf Jahren Österreich sicher testieren, dass hier das europaweit stupideste Niveau obwaltet, eine Art flächendeckend-schunkelnder Infantilismus. Es wird sehr viel, gern generationsübergreifend, gesungen, oft in Sepplhosen (die es auch für Frauen gibt und tatsächlich im Alltag getragen werden), doch stets grundiert von einer nervtötend-trotzigen und völlig ironiefreien ›Mir san mir‹-Attitüde. Und auf jedem einzelnen Joghurtbecher prangt das Logo Gutes aus Österreich oder wenigstens die Silhouette des Kleinstaates in Rotweißrot. Aus kultursoziologischer Perspektive traue ich mir zu, mitzuteilen, warum das so ist.

Und so ungern es eine methodenstrenge Soziologie hören mag, sehr viel erkenntnisstiftender als die tautologisch bleibenden Erträge praxeologischer Beschreibung des Visuellen sind ›quer einschießende‹ Studien in wohl nicht zufällig fast immer essayistischer Form, etwa Wolfgang Ullrichs Nachzeichnung, wie die Mächtigen heute statt Demonstration militärisch-bürokratischer Tugenden die Nähe zur Kunst suchen (vorzugsweise abstrakte Expressionisten und Junge Wilde, denn mit ihnen kann man nichts falsch machen). Oder Fortsetzungen der Soziologie des Wohnens, besser: des Interieurs, die z.B. nach Sichtung der Idealvorstellungen notieren, dass Bücherregale, Schränke, überhaupt alles Klobig-Raumgreifende gerade verschwindet und unter ›Behaglichkeit‹ heute reibungslos funktionierende, doch entindividualisierte Einrichtungen im Lounge-Stil verstanden werden – »materielle Habseligkeiten« gelten zunehmend als eher hinderlich, also uncool.[43] 

Was mich persönlich interessiert: Wie kommt sozial verbindliche Ikonizität zustande? Wozu dient sie eigentlich? Und wie wird man sie wieder los? Irgendwann, so sagt man über die fünf oder sechs Supermodels der 1990er wie Claudia Schiffer oder Naomi Campbell, waren sie ›totgeschossen‹, ausfotografiert, man konnte sie nicht mehr sehen. Mit solchen Prozessen kommt Rationalität, Wissenschaft überhaupt, schwer zurecht; allenfalls könnte hier Boris Groys‘ Idee aufhelfen, Kultur als temporale Nullsummenzirkulation von profanen Elementen um ein kulturelles Archiv, »Wertordnung auf Zeit«, die von gelegentlichen Umbesetzungen lebt, zu modellieren.[44] Zuschreibungsprozesse können auch solche Arten visueller Inflation ohne eine groß angelegte Matrix ästhetischer Präferenzsysteme nicht erhellen, dafür bräuchte man Bourdieu – der ebenfalls, trotz seiner Prätention einer Dynamik der ›Felder‹, für Wandel keine überzeugende Erklärung hat.[45]

Beltings und Boehms wiederholte Hinweise auf die magischen bzw. metaphysischen Wurzeln des Bildes aber sollte man ernstnehmen. Das eine fasziniert, das andere nicht, weder soziale Aushandlungsprozesse noch Umbesetzungen à la Groys können beliebig ästhetische Werte produzieren; kein Bestseller, kein Blockbuster lässt sich mit völliger Sicherheit planen, es gibt intrinsische Qualitäten der Artefakte selbst – dass sie zuallererst erzeugt werden müssen, ändert daran nichts.

Deshalb zwei möglichst banale Beispiele: Der Underground-Comiczeichner Robert Crumb kreierte 1968 unter vager Assoziation an einen alten Song von Blind Boy Fuller, »Truckin‘ My Blues Away«, vier forsch ausschreitende (oder ›latschende) Figuren unter dem Slogan »Keep on truckin‘«.

(Abb. 4) Robert Crumb, Truckin‘ My Blues Away, 1968
 (Abb. 5) Button aus dem US-Wahlkampf, wohl 1972

Zwar wusste niemand zu sagen, was das eigentlich zu bedeuten habe, doch geriet das Motiv des ausschreitenden Beinpaares, dieses übrigens ausgesprochen hässlichen Cartoons, in den USA der frühen Siebziger klassen- und milieuübergreifend ubiquitär; der Höhepunkt scheint um 1972 erreicht worden zu sein. Hörte hier die durch Vietnamkrieg und Stagflation gedemütigte Nation den Appell heraus, dass es doch irgendwie weitergehe? Vertraut man den Zeitzeugen, war die ›soziale Oberfläche der USA mit Variationen von Crumbs Bildfindung damals geradezu gepflastert.

 (Abb. 6) The Grateful Dead, Europe ´72, 3Lp, Warner Bros. WB 66019, 1972

Den Wandel des Zeitgeistes in der »ästhetischen Mentalität« zu fassen,[46] ist das bisher nur im Feuilleton erprobte Ideal von Beat Wyss, eines Autors, der das Wissen als Korrektiv des Sehens versteht. Dass es auch ausführlich geht, zeigt Gerhard Pauls überaus lesenswerte Studie zu Karriere und Wandel des berühmten HB-Männchens, indem sie Mentalitäts-, Medien- und Wertewandel in der ästhetischen Anpassung einer Werbeikone gleichermaßen berücksichtigt.[47]

Das zu Erklärende wäre damit die Konstellation von gelungener Bildfindung und sozialer Resonanz, in der sich tatsächlich so etwas wie Konsens, Zeitgeist abzeichnet,doch an dieser Stelle melden sich zuverlässig die Vertreter Durkheim‘scher normativer Integration, die das Ästhetische als Modus des Sakralen, mithin als sozialkonstitutiv überschätzen.[48] So richtig Durkheim einst den sozialisierenden Affektionswert von Ritualisierungen ›geahndet‹ hat, so wenig Zweifel kann daran bestehen, dass das Ästhetische oder die ›Macht der Bilder‹ modern dafür ganz sicher zu schwach sind. Da möchte man lieber den ollen Fichte anführen, der die Öffnung des Subjekts auf Ästhetisches als Freiheit zur Bindung verstand, was Schiller, der das nur als Verpflichtung denken konnte, so gar nicht verstehen wollte: Notwendig sei die ästhetische Erfahrung für die Menschwerdung keineswegs, man tue aber gut daran, sich ihr auszusetzen, weil wir sonst bloße Vernunftwesen blieben.[49] Sagt Fichte! Und damit ist überraschenderweise, wenn auch mit vertauschten Vorzeichen, etwas zum Umgang mit Bildern heute gesagt, den die Abermillionen Nutzer von Social Media in ihrem Glauben, dass das dort erzeugte »Rauschvolumen«[50] brauchbare Informationen bereit halte, pflegen – zur Bildung zwingen kann man sie nicht. Simon Rothöhler sieht die eigentliche Überforderung der Konsumenten darin, »überhaupt noch Signale herausfiltern zu können, nachprüfbare Evidenzen von Halbwahrheiten, Lügen, Propaganda, Idiotien zu unterscheiden«.[51] Klar scheint mir aber auch, dass die Soziologie nicht das Pensum an Medienkritik bereitstellen kann, dessen Verabreichung in Elternhaus und Schule versäumt wird, sie käme ohnehin viel zu spät.

So rutscht man in die Abgründe der Gesellschaftsdiagnose, deshalb zurück zu den Oberflächen. Möchte ich die Soziologie des Bildes lediglich an Cartoons und die Analyse von Werbung verweisen? Keineswegs. Burri z.B. lässt die inneren, mentalen Bilder beiseite,[52] was verständlich, aber keine gute Idee ist, denn obwohl sie einen eigenen Logos aufweisen mögen, argumentieren Bilder nicht[53] und sind damit auch nicht negationsfähig,[54] was umso mehr für unsere Imaginationen gelten dürfte. Hier müsste der Husserl der »Phantasiemodifikationen« bemüht werden. Auch mag mit der Nichtnegierbarkeit zusammenhängen, dass Bilder quälen können, kaum aber Sprache als solche, denn »[d]as Bild liegt tiefer als die Worte.«[55] Andererseits, »Sehen ist historisierbar«, nicht aber Riechen, Schmerz und Gewalt.[56] Reinhart Koselleck hat gezeigt, dass die Auslieferung an extreme Gewalt nicht einmal mehr traumatische Bilder erzeugt, sondern nur noch einen blank space;[57] Wyss wagt den Tabubruch, wenn er notiert, dass uns die Bilder von Auschwitz mittlerweile ziemlich kalt lassen, als seien wir »dagegen immun«, und nennt dafür seine synästhetische Horror-Imago, »der trocken-erdige Geruch von Kartoffelkellern«, der Gang des Knabens hinab ins Dunkle »mit dem Kohlenkessel«, überlagert von Bildern der verbrannten Leichen Nagasakis und Wilhelm Buschs Lehrer Lämpel aus Max und Moritz.[58] In der Tat, so ›tickt unser kognitiver Apparat, bei manchen reicht es gar für geradezu universalhistorische Durchblicke: »Ein Hotelbesitzer, der Adam hieß, schlug vor den Augen des Kindes, das ihn gern hatte, mit einem Knüppel Ratten tot, die auf dem Hof aus Löchern hervorquollen; nach seinem Bilde hat das Kind sich das des ersten Menschen geschaffen. […] Wem es gelänge, auf das sich zu besinnen, was ihn einmal aus den Worten Luderbach und Schweinstiege ansprang, wäre wohl näher am absoluten Wissen als das Hegelsche Kapitel, das es dem Leser verspricht, um es ihm überlegen zu versagen.«[59]

Der Weg von Werbestrategien zu einsamen Notaten aus dem »beschädigten Leben« als mögliche Gegenstände soziologischen Interesses an Bildlichkeit könnte wohl weiter nicht sein, weshalb sich eine differenzierte Methodenreflexion von selbst verstehen sollte. Vor allem aber muss das mentale Bild durch den Filter der Sprache, um überhaupt der Analyse zugänglich zu werden, und gerade Adorno litt unter dem Faktum, dass der Begriff die Phänomene immer auch verkürzt, ja vergewaltigt[60] – eine Variante des von Schiller kodifizierten Topos: »Spricht die Seele, so spricht ach! schon die Seele nicht mehr.«

Zum Ende hin nur noch Hinweise auf eine mittlere Ebene denkbarer Forschung. Jörg Bergmanns Beobachtung, dass sich durch die erheblich verfeinerten Möglichkeiten audiovisueller Analysemethoden eine Tendenz der Mikro- hin zu einer Art »Nano-Soziologie« zeige,[61] hat ihre Entsprechung in den bewegten Bildern der Unterhaltungsindustrie, womit sich der Gang meiner Argumentation vielleicht einigermaßen schließen lässt. Reinhold Beckmanns Fußballshow Ran ist durch ihren Inszenierungsstil berüchtigt geworden, denn noch das langweiligste Gebolze lässt sich durch mediale Bearbeitung zum Drama aufmöbeln; mehr Kameras, Extremzeitlupen stürzender, jubelnder oder sich im Schmerz windender Spieler, aufgerissene Münder, der quälend langsam aufs Tor zufliegende Ball, der ins Leere hechtende Torwart, dessen Hand ihn um nur wenige Millimeter verfehlt. Kein Actionfilm mehr verzichtet heute auf die bullet time, bei der der Zuschauer quasi auf der Kanonenkugel mitreiten kann – und damit sich der Einsatz von Hightech auch lohnt, wird nicht selten die aufwändig eingerichtete Szene aus etlichen Perspektiven mehrfach wiederholt.[62] Da ist man dankbar, wenn die Leute mal wieder ganz normal, ohne solche Mätzchen, erschossen werden. Selbst keine Reportage, Kochshow, Dokumentation, kein selbstfabriziertes Filmchen auf YouTube kommt heute ohne Extrem-Zeitraffer aus, der die Nacht über Berlin, ihre Wolkenzüge und den unendlichen Verkehrsstrom, Kartoffelschälen oder das morgendliche Knospen einer Blüte auf maximal zwei Sekunden zusammenschnurren lässt, denn längere Kameraeinstellungen in Normalzeit werden bei ›redundanten‹ Szenen wie Einkaufen, dem Weg zur Arbeit oder Strand usw. gar nicht mehr ertragen. Allenthalben setzt die Regie auf eine immer dichtere Abfolge von Höhepunkten und Knalleffekten zuungunsten der Plot-Struktur, die neueren James Bond-Filme etwa halte ich persönlich nicht mehr aus, sie entnerven mich, wird der Zuschauer doch in ein permanentes Stop-and-Go gezwungen, also immer wieder desynchronisiert. Umberto Eco hat darauf hingewiesen, dass »Übertretung […] sich von einem Hintergrund von Normalität abheben« muss[63] – doch wenn Normalität, für ihn das schwierigste Darstellungsproblem, gar nicht mehr zugelassen wird, so ließe sich dialektisch schließen, inflationiert dieser Entzug auch die action, worauf der Regie seit 20 Jahren nichts anderes einfällt, als weiter zu kumulieren. Hat Adorno doch recht, der schon um 1940 das qua »Kulturindustrie« dissoziierte Individuum, dem Besinnung gar nicht mehr möglich sei, beobachtete? Zugleich drohen ob solcher Befunde dem Film und übrigens auch der Mikrosoziologie schlicht der Zerfall der Phänomene, denn je näher man herangeht oder je weniger Zeit man sich nimmt, je dichter wir getaktet werden, desto weniger sehen, hören und erinnern wir. Das ist keine billige Kulturkritik, sondern eine Frage des Kognitionsmanagements; viele Studierende etwa haben heute Schwierigkeiten, einem Song von mehr als fünf Minuten zu folgen oder ein Gemälde auf Bildstrukturen zu befragen, also überhaupt auf Form, auf abstraktive Momente zu gehen. Ob sich dies mit Hartmut Rosas gar nicht so neuem Beschleunigungsbefund[64] und Hans Ulrich Gumbrechts Vermutung einer »breiten Gegenwart«, die man im besten Sinne gegenläufig dazu lesen sollte, korrelieren lässt, müsste erprobt werden, vermutet Letzterer doch ein Ende der dynamisch-›historischen Zeit‹ à la Koselleck, die durch die Friktion von Gegenwartsbewusstsein und Zukunftsprojektion gekennzeichnet gewesen sei. Obwohl die Ereignisindustrie der Massenmedien, Wissenschaften, des Literaturbetriebs usw. auf Hochtouren laufe, werden ungefähr seit der Jahrtausendwende immer dieselben Ikonen vorgezeigt, das ›innovative Potential‹ derselben Theoreme stets aufs Neue entdeckt, Revivals erzeugt und, vielleicht am bedenkenswertesten, Ritualisierung statt Verinnerlichung von Kulturinhalten, also, pointiert: Gefolgschaft statt Aufklärung präferiert – zumal ohnehin niemand mehr damit rechne, dass sich etwas wirklich Grundstürzendes ändere, Unerhörtes passiere.[65] Ich ergänze: Und natürlich ist Krieg, ist Terror, nur hatte die Festung Europa fast acht Jahrzehnte lang das Glück, derlei Bedrängnisse einigermaßen erfolgreich abzuwehren.

Weniger düster scheint es heute tatsächlich einerseits, gerade im Visualregime, weitgehend um Partizipation, Da- und Dabeigewesensein (mit Selfie auf Instagram, versteht sich) statt Aneignung und Reflexion zu gehen, nur so sind die nach Hunderttausenden zählenden Pilger aus aller Welt, die nach dem Ableben der Queen London besuchten, aber wohl kaum als überzeugte Monarchisten durchgehen, zu erklären. Der Katastrophentourismus ist ein eigenes Thema. Und um Zugang zu den Großausstellungen Monets oder Vermeers zu erhalten, muss man reservieren und dennoch lange anstehen, während man sich in Veranstaltungen nur eine Nummer kleiner, sagen wir, um Karl Hagemeister oder Camille Pissarro, unter der bloßen Handvoll anwesender und tatsächlich kunstinteressierter Besucher zu jeder Öffnungszeit völlig frei bewegen kann.  

Andererseits werden die damals kühnen Spekulationen um ›Simulation aus dem postmodernen Theoriegut heute angesichts der Allgegenwart manipulierter oder entkoppelter Bilder, die unsere Lebenswelt tapezieren, längst übertroffen, was aber kaum jemanden beunruhigt (weshalb auch Ideologiekritik nicht verfängt, denn was wollte man noch entlarven?) – und doch verwechseln wir keineswegs die ›reale Realität mit der Virtuellen; die »Auflösung der realen Welt in den Rahmen einer illusionären«[66] hat nicht stattgefunden.

Das ist ein seltsamer Befund und könnte die Wirklichkeitswissenschaft Soziologie angehen. Nur bitte keine Inventarisierung materiell fundierter Sichtbarkeitsordnungen mehr, womöglich noch im Verbund mit Latour‘scher Netzwerkerei, das wird alsbald verpuffen wie weiland die Dekonstruktion. Für eine soziologische Befragung der Bilder war der Werkzeugkasten auch vorher schon hinreichend bestückt, es ist alles da, was man brauchen könnte; Phänomenologie, Semiotik, Ikonographie, Ikonologie und Ikonik, Bildaktheorie, Bildanthropologie, Diskurstheorie, strukturale Deutungsangebote, Traumaforschung, selbst Adornos »Meditationen zur Metaphysik« lassen sich explorieren, the proof of the pudding is in the eating. Ein heute kaum noch gelesener, doch ehemals einflussreicher Vertreter des Fachs betonte schon zu Zeiten der frühen Bourdieu-Rezeption: »Wir sind seit langem souverän genug, um uns über willkürlich gesetzte Theoriegrenzen oder voneinander abgesetzte ›Ansätze‹ hinwegsetzen zu können. M.E. muß man heute seine theoretischen Auffassungen aus den brauchbaren Teilen interessanter Theorien zusammensetzen. Man muß heute eklektisch arbeiten«,[67] doch bedürfte es dafür ein wenig Umsicht, damit nicht Unvereinbares zusammengezwungen wird und man plötzlich bei einer dekonstruktiven Sozialgeschichte primordialer Differenz landet oder verwundert feststellt, dass man auf Stühlen sitzen kann, weil sie dafür gemacht sind. Dann lieber noch einmal neu ansetzen. Heike Delitz hat die Architektur – man denkt ja gemeinhin nicht daran – als unsere nichtnegierbare kulturelle Hülle schlechthin beschrieben;[68] Bilder, so mein Vorschlag, sitzen wie ein Korsett noch ein wenig enger, fungieren sie doch wie eine ikonisch-emotive Matrix von Gesellschaften und sind insofern, anders als Architektur, tatsächlich sowohl irrational als auch undomestizierbar. Ihr Changieren zwischen kognitiven und emotiven Potentialen macht sie so faszinierend, aber gelegentlich, in ihrer suggestiv-manipulativen Dimension, auch heikel. Dass beide Potentiale epistemologisch nicht voneinander zu trennen sind, ohne permanentes, gefühlsbasiertes Bewerten gar nichts erkannt werden kann, ist so neu nicht mehr.[69] Bliebe nur zu ergänzen, dass die wichtigsten Vertreter der Historischen Bildwissenschaft kaum jemals säumen, bei der statthabenden Entgrenzung der ›Frage nach dem Bild‹ auch die Bildkritik anzumahnen. Wo setzte eine dezidiert soziologische an?


[1]     Gottfried Boehm, Rüdiger Schöttle, 3 Gespräche, Köln 2011, S. 60.

[2]    Kundig gedeutet bei Michael Stürmer, Das ruhelose Reich. Deutschland 1866-1918, Berlin 21994, S. 95ff.

[3]    Ole Nymoen, Wolfgang M. Schmitt, Influencer. Die Ideologie der Werbekörper, Berlin 2021, S.35f., 122.

[4]    Ebd., S. 61, 112ff., 142.

[5]    Ebd., S. 68, 71, 143, 122.

[6]    Theodor W. Adorno, Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben(1951), Frankfurt/M. 1969, S. 57.

[7]    Markus Gabriel, Fiktionen, Berlin 2020, S. 595, 600.

[8]      Andreas Reckwitz, Elemente einer Soziologie des Ästhetischen, in: Ders., Unscharfe Grenzen. Perspektiven der Kultursoziologie, Bielefeld 2008, S. 259-280, hier S. 261ff., betont richtig, dass eine Soziologie, die sich innerhalb des Rationalisierungsparadigmas verortet, a priori Schwierigkeiten mit dem Ästhetischen haben wird. Ich ergänze: mit Kultur überhaupt. Die »Bildvergessenheit« bei Regula Valérie Burri, Bilder als soziale Praxis: Grundlegungen einer Soziologie des Visuellen, in: Zeitschrift für Soziologie 37 (2008), S. 342-358, hier S. 343.

[9]      Peter Burke, Augenzeugenschaft. Bilder als historische Quellen (2001), übers. von Matthias Wolf, Berlin 2010, S. 34 f., 91ff., 148, 172, 207; auch noch Bernd Roeck, Das historische Auge. Kunstwerke als Zeugen ihrer Zeit, Göttingen 2004, S. 10, 12, der gleich eingangs die Dimension der Ästhetizität als für Historiker irrelevant ausschließt. Dass man sich damit um das Beste bringt, liegt auf der Hand.

[10]      Pierre Bourdieu, Zur Soziologie der symbolischen Formen, übers. v. Wolfgang Fietkau, Frankfurt am Main 1970, S. 159ff.

[11]      Jost Philipp Klenner, Suhrkamps Ikonoklasmus, in: Zeitschrift für Ideengeschichte IV/4 (2012): Droge Theorie, S. 82-91.

[12]      Gottfried Boehm, Vorwort, in: Ders. (Hg.), Was ist ein Bild?, München 1994, S. 7-9, hier S. 9.

[13]      Burri, S. 342.

[14]      Niklas Maak, Die absolute Form und die Geschichte. Betrachtungen zum Haus Habermas, in: Zeitschrift für Ideengeschichte XV/3 (2021): H wie Habermas, S. 100-114, hier S. 100, 104.

[15]      Burri, S. 347.

[16]      René Toma, Lisa-Marian Schmidt, Soziologie des visuellen Wissens. Vorläufer, Relevanz und Perspektiven, in: Dies., Petra Lucht (Hg.), Visuelles Wissen und Bilder des Sozialen. Aktuelle Entwicklungen in der Soziologie des Visuellen, Wiesbaden 2013, S. 11-30, hier S. 11f.

[17]      Roswitha Breckner, Sozialtheorie des Bildes. Zur interpretativen Analyse von Bildern und Fotografien, Bielefeld 2010, S. 30ff., 66ff.

[18]      Ebd., S. 81f., 141f., 235, 309.

[19]   Heike Kanter, Ikonische Macht. Zur sozialen Gestalung von Pressebildern, Opladen 2016, S. 363.

[20]   Ebd., S. 364.

[21]      James Elkins, First Introduction. Starting Points, in: Ders., Gustav Frank, Sunil Manghani (Hg.), Farewell to Visual Studies, University Park PA 2015, S. 3-9, hier S. 5f.

[22]      Andreas Reckwitz, Sophia Prinz, Visual Studies, in: Stephan Moebius (Hg.), Kultur. Von den Cultural Studies bis zu den Visual Studies. Eine Einführung, Bielefeld 2012, S. 176-195, hier S. 186f., 192.

[23]      Sophia Prinz, Die Praxis des Sehens. Über das Zusammenspiel von Körpern, Artefakten und visueller Ordnung, Bielefeld 2014, S. 34.

[24]      Ebd., S. 37, 44, 164.

[25]   Paradigmatisch dafür Steffen Martus, Carlo Spoerhase, Geistesarbeit. Eine Praxeologie der Geisteswissenschaften, Berlin 2022. Es stimmt, Professoren halten Vorlesungen und schreiben Bücher, wofür gern das gesamte Lehrstuhlpersonal eingespannt wird, S. 186ff. Früher verteilten sie Sonderdrucke als besonderen Gunstbeweis, S. 427ff., heute schicken sie PDFs um den Globus; Studierende halten Referate und erzeugen Seminararbeiten, weshalb sie sich gelegentlich in die Fachbibliotheken, die auch als Orte der Begegnung firmieren, begeben müssen, wo sich nach strengen Systematiken geordnete Bücherreihen finden, die als Wissensspeicher, S. 244, 284, zu betrachten sind. Und Tische und Stühle, damit man ihnen arbeiten kann! Begriffe hingegen seien Abstraktionen aus einer Fülle von a priori vernetzten Phänomenen, S. 238ff. Und so weiter. Die eigentliche Lust der Praxeologen aber liegt im Beschnüffeln der Archivalien, verspricht das doch den »empirische[n] Nachweis der erkenntnisstiftenden Leistung der materiellen Objekts«, S. 249: Wie sehen die handschriftlichen Widmungen auf Sonderdrucken Walter Benjamins, Fritz Sengles u.a. aus, S. 430, 445? Hat Szondi während seiner Kleist-Studien nicht nur Reclam-Hefte, sondern auch seine Werkausgabe mit Annotationen verwüstet, S. 245f.? Ein Papier mit Exzerpten von der Hand Hans Robert Jauß‘ wurde gefunden, S. 258. So geht das auf 490 Seiten Fließtext, bei denen man sich sehr bald fragt, an wen diese Einsichten überhaupt adressiert sind. Désirée Schauz‘ Rezension auf H-Soz-Kult v. 10. Februar 2023 (https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-114991, abgerufen 12. Juni 2024) fragt zu Recht, ob angesichts des gesteigerten Legitimationsdrucks auf die Geisteswissenschaften ausgerechnet eine Nabelschau dessen, ›was man so macht‹, die Antwort sein kann. Ich gehe weiter und behaupte, dass die gesamte Praxeologie in der Parawissenschaft ihrer selbst terminiert, da man offenbar gar nicht mehr die Courage aufbringt, dem Impact der Artefakte, Texte, Werke selbst nachzugehen – man könnte ja etwas Falsches sagen. Stattdessen erzeugt man die Welt qua Deskription schlicht noch einmal.

[26]      Steffen Martus, Werkpolitik. Zur Literaturgeschichte kritischer Kommunikation vom 17. bis ins 20. Jahrhundert mit Studien zu Klopstock, Tieck, Goethe und George, Berlin/New York 2007, konnte an Fallbeispielen (und eher systemtheoretisch orientiert) die ganze Genealogie des modernen Literatursystems von Werk- und Autorenverständnis, Aufmerksamkeitssteuerung, Kritikerrolle, Geburt der Philologie etc. nachzeichnen.

[27]      Umso irritierender, als die eng benachbarten Visual Studies insgeheim die Ideologiekritik der 1970er fortführen, deutlich etwa bei Prinz, S. 18f., 34, ja nichts anderes sind als deren zur Disziplin sublimierte Form, wenn sie in letzter Instanz stets danach fragen, wie das Subjekt von den (nun gern dinglich-materiellen) Verhältnissen zugerichtet wird.

[28]      Christiane Schürkmann, „Über das Sichtbare hinaus. Eine Soziologie künstlerischer Praxis“, in: Zeitschrift für Soziologie 47 (2018), S. 438-453, hier S. 441ff.

[29]      Ann-Sophie Lehmann, Das Medium als Mediator. Eine Materialtheorie für (Öl-)Bilder, in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstgeschichte57/1 (2012), S. 69-88, hier S. 83, 85.

[30]   Letztlich handelt es sich um Beschäftigungstherapie für Doktoranden, denen selbst nichts Interessantes einfällt. Ich verweise auf meine Übersicht: Neue Notizen zur gegenwärtigen Lage der Ästhetik (mit Adorno), in: Philosophische Rundschau70 (2023), S. 114-187.

[31]   Fabian Anecker, Wohin wenden nach den Turns? Eine wissenschaftssoziologische und forschungslogische Beobachtung am Beispiel des ›Turn to Practice‹, in: Zeitschrift für Soziologie 51 (2022), 350-364, hier S. 356ff. 

[32]      Etwa, wenn »Parsons, Jr.« (so Alan Sica), nämlich Jeffrey C. Alexander, Iconic consciousness: the material feeling of meaning, in: Society and Space 26 (2008), S. 782-794, hier S. 788, Baumgartens Aesthetica von 1750 aus zweiter Hand zitiert und auf 1835 datiert. Dass solche Bolzen in der Redaktion niemandem mehr auffallen, sagt auch etwas über die aktuelle Wissenschaftskultur.

[33]      Episode 11 aus der ersten Staffel der Simpsons von 1990, »The Crepes of Wrath«, expediert Bart wegen notorischer Rüpeleien als Austauschschüler nach Frankreich. Das Land wird durch eine rasante Abfolge von topischen Bildmotiven der Impressionisten visualisiert, sie zählen also längst zum ikonischen Grundbestand des Sozialen – wie die Simpsons übrigens auch. Die Episode hat es zum Wikipedia-Eintrag gebracht, vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/The_Crepes_of_Wrath (abgerufen 15. Juni 2024).

[34]      Hans Belting, Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München 2001; bei Horst Bredekamp, Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007, Berlin 2010, S. 171ff., besonders der soziologisch sensible »substitutive Bildakt«; Gottfried Boehm, Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens, Berlin 2007.Übrigens zehren die historischen Passagen von Niklas Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt/M. 1995, etwa S. 226, 257, 276, 298, wesentlich vom damals noch wenig bekannten Hans Belting, Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst, München 1990.

[35]      Dies lehrten schon die gegen Ende der 1970er in einiger Naivität konzipierten und sehr bald obsoleten Sozialgeschichten der Literatur oder Malerei, so nützlich oder erhellend manch gelieferte Rahmeninformation über Buchmarkt, Alphabetisierung, Kunsthandel, Mäzenatentum u.ä. auch sein mochte.

[36]   Richard Wollheim, Objekte der Kunst, übers. v. Max Looser, Frankfurt/M. 1982, S.195f.

[37]   Gottfried Boehm, Jenseits der Sprache. Anmerkungen zur Logik der Bilder, in: Ders., Wie Bilder Sinn erzeugen, S. 34-53, hier S. 37.

[38]   Ingo Meyer, Dimensionen des Werkbegriffs, in: Eva Geulen, Claude Haas (Hg.), Formen des Ganzen, Göttingen 2022, S. 465-493, hier S. 487ff.

[39]      Willibald Sauerländer, Iconic Turn? Eine Bitte um Ikonoklasmus, in: Christa Maar, Hubert Burda (Hg.), Iconic Turn. Die neue Macht der Bilder, Köln 2004,S. 407-424, hier S. 408, 418, 425.

[40]      Zur Werbung als Fundgrube der Mentalitätsgeschichte schon Burke, S. 105ff.

[41]   Kai-Uwe Hellmann, Alles Konsum, oder was? Der Kulturberiff von Luhmann und seine Nützlichkeit für die Konsumsoziologie, in: Günter Burkart, Gunter Runkel (Hg.), Luhmann und die Kulturtheorie, Frankfurt/M. 2004, S. 136-168, hier S. 162.

[42]   Allerdings weist Hellmann, S. 151, auch auf die »enorme Zahl gescheiterter Werbekampagnen« hin – eine Soziologie des Bildes müsste als ›Quellenkritik‹ dann auch der Frage nachgehen, was die Strategen falsch gemacht haben. Im schlimmsten Fall handelten sie gegen den Zeitgeist.

[43]      Wolfgang Ullrich, Mit dem Rücken zur Kunst. Die neuen Statussymbole der Macht, Berlin 2000; Christian Demand, Homestorys (IV): Behaglichkeit, in: Merkur 77 (884) (2023), S. 17-38, hier S. 38, nach Auswertung mehrerer Jahrzehnte vom Zeitschriftentypus Schöner Wohnen, AD u.ä. 

[44]   Boris Groys, Über das Neue. Versuch einer Kulturökonomie, München 1992, S. 46, vgl. S. 37, S. 55ff.

[45]   Das liegt wohl daran, dass Bourdieus deterministische Klassentheorie nicht recht zur behaupteten Autonomie der Felder z.B. von Kunst und Politik passen will. Bringen die Akteure nicht ihre habituellen Prägungen, Interessen, Bildungshorizonte etc. in ihr Agieren auf den Feldern mit ein? Zu diesem Konstruktionsdilemma André Kieserling, Felder und Klassen. Pierre Bourdieus Theorie der modernen Gesellschaft, in: Zeitschrift für Soziologie 37 (2008), S. 3-24. 

[46]      Beat Wyss, Die Wiederkehr des Neuen, Nachwort von Silke Walther, Hamburg 2007,S. 364.

[47]      Gerhard Paul, Das HB-Männchen – Werbefigur des Wirtschaftswunders, in: Zeithistorische Forschungen 4 (2007), S. 84-115. Online verfügbar unter https://zeithistorische-forschungen.de/1-2-2007/4633 (abgerufen 16. Juni 2024).

[48]      So wieder Alexander, Iconic consciousness, S. 787, 790, der mit Durkheim und Kant eine Synthese von ästhetischer Erfahrung und Integration moderner Gesellschaften über (moralische) Werte à la Parsons behauptet. Das ist, gelinde gesagt, weltfremd.

[49]      Johann Gottlieb Fichte, Ueber Geist und Buchstab in der Dichtung (1794), in: Fichtes Werke (1845/46), hrsg. von Immanuel Hermann Fichte, repr. Berlin 1971, Bd. VIII: Vermischte Schriften und Aufsätze, S. 270-300, hier S. 286, 289f., 300.

[50]   Simon Rothöhler, Investigative Ästhetik. Ermittlungen gegen die dunkle Epistemologie des Post-Truth-Zeitalters, in: Merkur 76 (876) (2022) S. 56-66, hier S. 61.

[51]   Ebd.

[52]      Burri, S. 242.

[53]      Überzogen daher Martina Hessler, Dieter Mersch (Hg.), Logik des Bildlichen. Zur Kritik der ikonischen Vernunft, Bielefeld 2009.

[54]      So Dieter Mersch, Einleitung: Wort, Bild, Ton, Zahl – Modalitäten medialen Darstellens, in: Ders. (Hg.), Die Medien der Künste. Beiträge zur Theorie des Darstellens, München 2003, S. 9-49, hier S. 34. Anders Gottfried Boehm, Dunkles Licht. Über ikonische Negation, in: Markus Gabriel, Wolfram Hogrebe, Andreas Speer (Hg.), Das neue Bedürfnis nach Metaphysik, Berlin/Boston 2015, S. 239-259, der die Konstitution des Bildes überhaupt als Negation des Hintergrundes denkt, damit also die »ikonische Differenz« des Figur-Grund-Kontrastes variiert. Skeptische Anfragen dazu bei Ingo Meyer, Respondenz zum Beitrag von Gottfried Boehm, ebd., S. 261-272. 

[55]      Peter Weiss, Laokoon oder über die Grenzen der Sprache (1965), in: Ders., Rapporte, Frankfurt am Main 1968, S. 170-187, hier S. 182.

[56]      Beat Wyss, Die Welt als T-Shirt. Zur Ästhetik und Geschichte der Medien, Köln 1997, S. 79. Gewalt scheint auch nicht adäquat zu versprachlichen, so die Ausführungen bei Wolfgang Sofsky, Traktat über die Gewalt, Frankfurt/M. 1996, S. 67ff. – und gerade der Geruch entzieht sich der begrifflichen Fixierung, wir müssen vergleichen, etwas ›riecht wie… Zur Soziologie der niederen Sinne Urs Stäheli, Materialität der Sinne. Simmel und der New Materialism, in: Hartmann Tyrell, Otthein Rammstedt, Ingo Meyer (Hg.), Georg Simmels große ›Soziologie. Eine kritische Sichtung nach hundert Jahren, Bielefeld 2011, S. 259-273; ein Plädoyer für die Kultur des Hörens bei Wolfgang Welsch, Grenzgänge der Ästhetik, Stuttgart 1996, S. 231ff.

[57]      Reinhart Koselleck, Terror und Traum. Methodologische Anmerkungen zu Zeiterfahrungen im Dritten Reich, in: Ders., Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt/M. 1979, S. 278-299, hier S. 290ff.

[58]      Wyss, Welt als T-Shirt, S. 79f.

[59]      Theodor W. Adorno, Negative Dialektik (1966), Frankfurt/M. 1975, S. 359.

[60]   Deshalb steuert das letzte Kapitel der Negativen Dialektik mit den auffällig bildlastigen »Meditationen zur Metaphysik«, S. 354-400, den begrifflich geradezu prunkenden Teilen des Buches wohl bewusst entgegen.

[61]      Jörg Bergmann, Von der Wechselwirkung zur Interaktion – Georg Simmel und die Mikrosoziologie heute, in: Georg Simmels große ‚Soziologie, S. 125-148, hier S. 148.

[62]   Bis zum Überdruss etwa in der Schundproduktion T 34 (RUS 2018, R: Aleksei Sidorow), die einzig und allein von ihren visual effects lebt; ein Film für Kinder, der ihnen alsbald lehrt, wie cool Krieg eigentlich ist.

[63]   Allerdings anhand des Pornofilms, das unausgesetzte Abfilmen von Kopulationsszenen wäre gar nicht erträglich, weshalb dieses Genre ausgiebig in Redundanzen schwelge: Pärchen trifft sich beim Einkauf, fährt umständlich zur Bettstatt, lernt auf dem Weg gleichgesinntes Pärchen kennen usw. Vgl. Umberto Eco, Wie man einen Pornofilm erkennt (1989), in: Ders., Wie man mit einem Lachs verreist und andere nützliche Ratschläge, übers. v. Burkhard Kroeber u. Günter Memmert, München 1993, S. 121-124, hier S. 123.   

[64]   Nicht zuletzt, weil z.B. Martin Hartmann, Fröhlicher Fatalismus. Anmerkungen zu Hartmut Rosas Beschleunigungstheorie, in: Merkur 69 (798) (2015), S. 65-73, hier S. 69f., 72, Rosa Übergeneralisierung bloß anekdotischer Befunde und schichtspezifische sowie generationale Blindstellen vorgerechnet hat: Als (kritische) Gesellschaftstheorie gehe das nicht durch. Zudem: Rosa, Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne, Frankfurt/M. 2005, S. 41, 152, 206, nennt zwar Arnold Gehlens Entlastungs- und ›Kristallisations‹-Theoreme, nicht aber dessen einschlägige Aufsätze aus dem Jahr 1963, »Die beschleunigte Welt. Leitmotive der Indistriegesellschaft« und »Das gestörte Zeitbewußtsein«, beide in: Ders., Gesamtausgabe, hg. v. Karl-Siegbert Rehberg, Frankfurt/M. 1978ff., Bd. 6: Die Seele im technischen Zeitalter und andere sozialpsychologsche, soziologische und kulturanalytische Schriften (2004), S. 180-188; 458-466.

[65]     Hans Ulrich Gumbrecht, Unsere breite Gegenwart, übers. von Frank Born, Berlin 2010, S. 16, 49, 63, 76.

[66]     Florian Rötzer, Mediales und Digitales. Zerstreute Bemerkungen und Hinweise eines irritierten informationsverarbeitenden Systems, in: Ders. (Hg.), Digitaler Schein. Ästhetik der elektronischen Medien, Frankfurt/M. 1991, S. 9-78, hier S. 45.

[67]      Dieter Claessens, Heraustreten aus der Masse als Kulturarbeit. Zur Theorie einer Handlungsklasse – ›quer zu Bourdieu‹, in: Klaus Eder (Hg.), Klassenlage, Lebensstil und kulturelle Praxis. Theoretische und empirische Beiträge zur Auseinandersetzung mit Pierre Bordieus Klassentheorie, Frankfurt/M.1989, S. 303-340, hier S. 309.

[68]   Heike Delitz, Architektursoziologie, Bielefeld 2009, S. 79.

[69]   Gerhard Roth, Das Gehirn und seine Wirklichkeit. Kognitive Neurobiologie und ihre philosophischen Konsequenzen (1994), Frankfurt/M. 1997, S. 211ff., 233, 251 u. passim. Roths philosophischer Anspruch freilich ist etwas unglücklich, hat er doch  seit seiner Studienzeit in den 1960ern  keine relevante Position mehr zur Kenntnis genommen, sondern ist bei Popper stehen geblieben, wenn ihm z.B. der Deutsche Idealismus als kompletter Unsinn gilt, vgl. nur Roth, Aus Sicht des Gehirns, Frankfurt/M. 2003, S. 203f. In kultursoziologischer Perspektive dürr hingegen bleibt die Annahme Rainer Schützeichels, ›Structures of Feelings‹ und Emotionsmilieus. Eine programmatische Forschungsskizze über den Zusammenhang von Emotionen und Sozialstruktur, in: Ders., Annette Schnabel (Hg.), Emotionen. Sozialstruktur und Moderne, Wiesbaden 2012, S. 473-484, hier: S. 476, Emotionen seien Differenzerfahrungen, welche aus der Diskrepanz zwischen Intention und Realisierungschance resultieren. ›Gestimmtheiten‹, epiphane Momente, diffuses Unwohlsein und die so überaus seltenen ›geglückten Tage, wie sie etwa Peter Handke umkreiste, bekommt man mit einem kommunikationstheoretischen Ansatz wohl nicht in den Griff.   

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